Infotext 1992


"Alle Sänger sind faul und egozentrisch!" sagte Walter Kraushaar, Gitarrist und genialer Erfinder des singenden Eierschneiders, eines harfenartigen Instrumentes, dem selbst er, ein Meister auf demselben, nur schauderhafte "Schprrralloing"- und "Schpraddell"-Laute entlocken konnte, dem er aber den Vorzug gab, weil hier die Eierreste nicht dieses unangenehme Spielgefühl hinterlassen, wie auf dem Griffbrett seiner Gitarre.
"Sänger sind eine Katastrophe" fügte er hinzu und leerte das Bierglas in enem Zug "alles, was sie besitzen ist ihr Showtalent und ein Mikrofon! Kaum einer hat einen Mikroständer und niemals, niemals besitzt ein Sänger eine Gesangsanlage! In einer ostbelgischen Kneipe, 'Zum gehörgeschädigten Hardrocker', wollte mir der Lead-Sänger einer unsäglich schlechten Trash-Metal Band während einer Spielpause erzählen, P.A. wäre das Kürzel für Pump-Anlage."
"Es ist alles ein Leid …" sagte Martin Kopp und grinste feist und sichtlich angetrunken hinter seiner blauen Brille hervor, "meinst du, es würde mir stehen, wenn ich Leuchtdioden an meinen Brillenrand montieren würde …? Was glaubst du, hätte sich George Gershwin Leuchtdioden an seinen Brillenrand montieren lassen? – Frollein, noch zwei Bier!"
"Martin, bleib’ doch mal bei der Sache." sagte Walter Kraushaar, der allmählich zur Hochform auflief, "mit den Bassisten ist es doch noch viel schlimmer! Total abgeschossen, das Volk!! Ich hab’ mal ein Jahr lang mit einem Bassisten ein Musical begleitet. Bevor wir unser letztes Konzert gaben, bei dem sich die Musiker einander dem Publikum vorstellen sollten, stellte sich heraus, dass er weder meinen Namen, noch den des Musicals kannte. Ich fragte ihn, woran er denn, wenn ihn das alles nicht interessiere, die Stücke erkennen könne. Er antwortete mir ein halbes Jahr später: 'an der Bassdrum'. Ist doch nicht normal, oder!?!"
"Ja, es ist alles ein Leid…" antwortete Martin Kopp, "trug der eigentlich eine Brille?"
"Wer, der Musical-Bassist?"
"Nein, George Gershwin."
"Weiß ich nicht."
Normalerweise war der begnadete Pianist und Keyboarder Martin Kopp ein durchaus einfühlsamer, aufmerksamer und höflicher Mensch, aber zum einen war er gerade mit der digitalen Schaltung einer mental gesteuerten LED-Brillenrandbeleuchtung beschäftigt, zum anderen waren 3,5 Liter Bier in seinem Kopf damit beschäftigt die Gehirnströme zwischen seinen Synapsen zu einem Sinuston von ca. 439,857 Hertz zu reduzieren. Dass er die Primzahlen bis 153 auswendig konnte, hatte ihm zwar schon oft geholfen, brachte ihn aber bei diesem Problem der Lösung nicht näher.
Walter Kraushaar stierte unterdessen in sein Bierglas und sprach weiter:
"Ich weiß wirklich nicht, wie das alles weitergehen soll. Sänger! – Bassisten! – Schlagzeuger!" Er versuchte, seine Gesichtszüge, die ihm irgendwo zwischen dem 7. und 13. Bier entgleist waren, zu einer Grimasse der Abscheu zu verziehen. "Ich habe neulich von einer Band gehört, die ihren Schlagzeuger während einer Tour verloren hat, einfach verloren!! Verstehst du, der ist nicht etwa vor Erschöpfung hinter seiner Kiste gestorben oder an seinem Erbrochenen erstickt – einfach verloren!! Er hat den Stromausfall am Ende des Konzerts nicht bemerkt. Die Band hat dann abgebaut und ist weitergefahren. Wahrscheinlich sitzt er immer noch da und trommelt. Martin ich frage dich: Wie soll man da Musik machen?"
"Ich glaube ich habe die Lösung!" sagte Martin Kopp, als er aus seinen Gedanken hochschreckte, "aber es wird wohl ohne Mikroprozessor-gesteuerte Unterstützung nicht funktionieren."
"Ja geil!" rief sein Gegenüber, "dann lass es uns doch tun!"

Es ließ sich nie feststellen, ob beide das gleiche meinten, sicher ist jedoch, dass sie es taten. Vorerst ohne Sänger, ohne Bassisten und ohne Schlagzeuger, weil die sind ja… s.o.


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